DIE KUNST DES POSAUNENSPIELS

Der Musikwissenschaftler und Journalist Markus Hennerfeind über Trombone Attraction.

Die Posaunisten des österreichischen Ensembles Trombone Attraction widmen der genauen Zusammenstellung ihrer Konzertprogramme viel Zeit. Ein bloßes Abspulen wenn auch guter Nummern käme für die vier Spitzenmusiker nicht in Frage, bei ihnen ist alles exakt geplant, weil sie richtige Geschichten erzählen wollen und deshalb auch Choreografien gestalten, ja ihre Auftritte sogar zu regelrechten Gesamtkunstwerken ausbauen.

«Am Anfang eines neuen Konzertprogramms steht bei uns eine Leseprobe», verrät das Quartett, «da bleibt am Ende ein großer Berg Noten, die wir nicht spielen, und ein kleiner Stapel, der in die engere Wahl kommt.» Dabei geht es stets um die musikalische Qualität: «Es gibt unglaublich viele Arrangements für unsere Besetzung, aber nur wenige wirklich gute. Allerdings ist es bei uns auch üblich, dass wir selten etwas einfach genauso spielen, wie es in den Noten steht: Bis wir mit einem Stück rundum zufrieden sind, durchläuft es einen Prozess des ständigen Weiterarbeitens und Verfeinerns.» Ob eine solche Arbeit auch immer halbwegs harmonisch vor sich geht? «Wir treffen unsere Entscheidungen grundsätzlich demokratisch. Nur wenn wir wirklich alle vier glücklich sind mit einem Stück, spielen wir es auch. Da gibt es manchmal schon hitzige Diskussionen, aber wir haben uns noch immer geeinigt», bekräf­tigen die vier Posaunisten lachend.

Ihr vertrautes, freundschaftliches Verhältnis resultiert einerseits aus der langen Zusammenarbeit im Ensemble: Zu einer ersten gemeinsamen Probe fanden sich die vier Musiker im November 2006 zusammen, und die musikalische Chemie stimmte sofort. Dort, im Keller der Wiener Volks­ oper, begann eine nun bald zwölf Jahre andauernde Erfolgsgeschichte. Doch so ganz unbekannt waren sie einander natürlich nicht, was aus ihren Biografien sofort herauszulesen ist.

Wer sind nun diese vier Posaunisten? Raphael Stieger stammt wie Stefan Obmann aus Kärnten, der erste (gemeinsame) Posaunenlehrer war Willibald Krupka. Beide gewannen Preise und studierten später u.a. bei Dietmar Küblböck an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; beide spielten oder spielen immer wieder in Orchestern und anderen Ensembles. Während Raphael Stieger nicht zuletzt die pädago­gische Seite seines Berufs als Bezirksmusikschulleiter der Leopoldstadt besonders am Herzen liegt, arbeitet Stefan Obmann freiberuflich in vielen unterschiedlichen Klangkörpern. Christian Poitinger und Martin Riener sind nicht nur Jahrgangs­ kollegen, sondern drückten auch im Musikgymnasium in Linz zusammen die Schulbank. Die Posaune beherrschten sie beide bald so gut, dass Christian Poitinger erst in Linz bei Friedrich Loimayr und dann in Graz bei Johann Ströcker studierte, Martin Riener in Wien bei Dietmar Küblböck und Otmar Gaiswinkler. Wettbewerbspreise und Engagements in Orchestern zählen auch bei ihnen «zum guten Posaunistenton». Zehn Jahre lang spiel­ten sie als Kollegen im Orchester der Wiener Volksoper, 2016 wechselte Martin Riener zu den Wiener Symphonikern.

Doch noch einmal zurück zur ersten Probe im Volksopernkeller: Die Zusammenarbeit nahm rasch Fahrt auf, nach den ersten Konzerten von Trombone Attraction folgte bald auch die Debüt­ CD mit dem Titel «Zug um Zug», die dank ihrer Qualität die Karriere weiter ankurbelte. Seit­ her hat das Quartett zahlreiche Auftritte im In­ und Ausland bestritten, etwa auch in Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien (Stresa Festival) und Griechenland. 2008 gewannen die vier den renommierten «Inter­nationalen Blechbläserwettbewerb Passau». 2010 folgte die zweite CD («All Directions»), 2015 die dritte («Gezeichnet»).

Das Repertoire von Trombone Attraction umfasst jegliche Musikstile und schließt eigentlich nichts aus. Dabei sind sie sich auch der Vorurteile bewusst, denen ihre Instrumente ausgesetzt sind: Manchen gelten sie als statische Tieftonlieferanten, die in Finalsätzen romantischer Symphonien durch Lautstärke und eherne Kraft den Applaus anheizen. Dabei ist die Posaune im besten Fall zu einer unglaublichen Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten fähig. Die Musiker von Trombone Attraction sehen es durchaus auch als ihre Aufgabe an, «hier geschmacks­- und gehörbildend zu wirken.»

Wie flexibel Posaunisten auf ihren Instrumenten spielen können, wie vielfältig die Klänge sind, die sie ihnen zu entlocken wissen, dürfte bei ihren Konzerte nicht wenige Menschen ins Staunen versetzen.

Markus Hennerfeind
Musikwissenschaftler, Journalist

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